Pressetexte

Das Wort Landschaft bedeutet im Mittelhochdeutschen "Einwohnerschaft des Landes".

In den germanischen Sprachen bedeutet "land" eigentlich Erdboden, Festland, dörfliche Gegend und Staat.

- Schaft (aus dem niederländischem "schap") fügt die Bedeutung einer Art von Zustand oder Beschaffenheit im Sinne einer zeitlichen Entwicklung hinzu.

Barbara Kämper dokumentiert in ihren hier ausgestellten Landschaftsbildern eben diese beiden Kategorien des Begriffes Landschaft. Einerseits reflektiert sie ihre Herkunft aus dem anhaltinischem Halle - oder noch weiter gefasst ihre Affinität zur böhmischen Landschaft durch die Abkunft ihres Vaters.

Andererseits kritisiert sie den ökonomisch kulturellen Zustand und die gegenwärtige Beschaffenheit ihrer heimatlichen Landschaft, in der Orte und Architekturen ihrer Kindheit dem Verfall überlassen werden.

Der Ausstellungstitel Zeitschleife betont noch eine weitere Ebene in ihren Bildern, in deren künstlerischer Verarbeitung sie sich des Mediums der Fotografie bedient. Mit direkt auf den Bildträger aufgetragener Fotoemulsion tätigt sie mit Fotos aus ihrer Kindheit gewisser maßen einen Rückgriff auf ihre individuelle Vergangenheit und die damit verknüpften Emotionen.

Beispielhaft lässt sich in diesem Zusammenhang das groß formatige Werk "Gruppe in Landschaft nach Caspar David Friedrich" nennen. Das Schwarz ­ Weiß des Fotos steht im Kontrast zur expressiv farbigen Flächenmalerei. Ein Gruppenporträt aus ihrer Schulzeit ist in eine Landschaft nach (Caspar David) Friedrich eingearbeitet, nämlich den "Tetschener Altar" aus dem Jahr 1808. Anstatt des symbolhaften Kreuzes bei Friedrich tritt hier eine konkrete Situation, das Gruppenfoto.

Solche Divergenzen aus übersetzt innerem emotionalem Gedächtnis und der Interpretation äußerer Welten lassen sich auch besonders gut an dem Bild "Rotes Dach" entdecken. Mit einer scharfen Trennung zwischen linker abstrakt chiffrierter Bildhälfte und der inhaltlich aufgeladenen Landschaft auf der rechten Seite treibt sie dieses Beziehungsschema zwischen Romantik und Abstraktion auf einen Höhepunkt.

Barbara Kämper, ehemals Meisterschülerin bei Werner Liebmann an der Kunsthochschule Berlin ­ Weißensee, sucht nicht danach das Foto als solches unsichtbar und unkenntlich werden zu lassen, sondern hebt selbst bewußt den formalen Charakter dieses Mediums hervor.

In den 5 kleineren Arbeiten setzt Barbara Kämper dieses Thema weiter fort. Sie nutzt dabei Arbeitsmaterialien, die uns auch den inhaltlichen Zugang zu ihren Bildern erleichtern. Besonders deutlich wird das an der schwarzen Kohle (Verweis auf "Schornsteine II" ) welche als Hinweis auf das ehemalige Kohle ­ Abbau ­ Gebiet, aber auch als Metapher für die sicher damit einher gegangene Verschmutzung dieser Landschaft oder auch den Stillstand des Industriegebietes verstanden werden kann. Die Schornsteine sind nicht mehr aktiv!

Auf der anderen Seite verstellt sie, Barbara Kämper, dem Betrachter die Sicht auf die Inhalte, in dem sie die Grundlage ihrer Arbeiten häufig übermalt. Zum Beispiel mit einer zarten rosa Lasur in dem Bild "Drei Säulen". Hinter diesen Übermalungen taucht das Fotomotiv weg und erscheint unerreichbar. In diesem Zusammenhang kann man die Künstlerin in der Tradition von Arnulf Rainer sehen, der ebenfalls mit Übermalungen von Fotografien und anderen Vorlagen arbeitet.

Zeitschleife. Landschaften. beinhaltet sehr komplexe Bildwerke, die in ihren vielfältigen Abstraktionsstufen und kunsthistorischen Bezügen dem Betrachter und der Betrachterin einen schnellen Kunst ­ Konsum verwehren.

Bei jedem Besuch entdeckt man Kämpers Arbeiten immer wieder aufs Neue oder Neues hinzu.

Jeannette Brabenetz